Im Jahre 2006 feierte die Bundesregierung dieses Jubiläum mit einem Festakt und einer Reihe von Publikationen. Anlass war die Gründung der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege im Jahre 1906. Sie war das Ergebnis eines langen Prozesses, bei dem der Staat seine Verantwortung für den Erhalt von Landschaft und Natur nicht mehr leugnen konnte. Diese Institution gilt als Vorläufer für das 1993 gegründete Bundesamt für Naturschutz. Diese Entwicklung nahm mit einer sprichwörtlich bahnbrechenden Rede des Abgeordneten Wilhelm Wetekamp vor dem Preußischen Abgeordnetenhaus seinen Anfang:
Rückblick, 30.März 1898: (-) In seinen
persönlichen Erinnerungen („Heimatschutz in Brandenburg“ 1919, Nr.2)
schreibt Museumsdirektor H. Conwenz: Der
Naturschutzgedanke war zu dieser Zeit in der Bevölkerung bereits tief
verankert. Das Bewusstsein um eine immer weiter um sich greifende
Landschaftszerstörung durch wachsende Industrie und immer technisiertere
Landwirtschaft - und damit auch der politische Druck - wuchs. So fiel
Wetekamps Rede im Reichstag auf fruchtbaren Boden. Auch der Grundstein des
heutigen NABU, der Bund für Vogelschutz - BfV, wurde 1899 durch Lina Hähnle
(Vorsitzende bis 1938) gegründet. Auf
Grundlage des Verunstaltungsgesetz sowie des bereits 1902 verabschiedeten
Gesetzes gegen Reklameschilder erließen die Regierungspräsidenten von
Potsdam und Frankfurt/Oder zwischen 1909 und 1914 46 Schutzverordnungen.
Diese entsprangen zwar landschaftsästhetischen Zielsetzungen - das
Landschaftsbild sollte vor Veränderungen bewahrt werden. Damit wurden
jedoch erstmals zahlreiche Ufer von Flüssen und Seen für Erholungszwecke
gesichert. (-)
Faksimile 1. Seite des Protokolls: 59. Sitzung, 30.März 1898
Protokoll
vollständig Download Faksimile
Wilhelm Wetekamp, Mitglied der
Freisinnigen Volkspartei setzte mit seiner eindringliche Rede im
Preußischen Abgeordnetenhaus eine Debatte in Gang, die zur Einrichtung der
ersten staatlichen Naturschutzbehörde führte. Die Versammlung war mit der
dritten und letzten Lesung des Staatshaushaltsetats befasst, als Wetekamp
ein neues Thema in die Debatte bringt. Er macht auf die dringende
Notwendigkeit einer Naturschutzgesetz-gebung aufmerksam und belegt dies
durch den wachsenden Artenrückgang. Die ersten Reaktionen darauf:
Regierungskommissar Kuegler findet es...zweifelhaft, ob das so recht zu den
Aufgaben des Kultusministeriums gehört, und hält es für etwas hartherzig,
daß der Herr Abgeordnete in der dritten Berathung (-) noch eine so schwere
Aufgabe stellt. Der Abgeordnete Szmula ist der Ansicht, das die Haiden und
Moore und alle übrigen hier genannten einzigartigen Naturtypen bestehen zu
lassen, (-) auch nicht möglich sein (wird), weil wir darauf angewiesen
sind, von Wald und Boden Nutzen zu ziehen (-) weil durch den Bau von
Eisenbahnen und Chausseen (-) der Grund und Boden täglich weniger (-)
werde, und nicht mehr...!
Geheimrat Prof. Dr. Wilhelm Wetekamp aus Lippstadt
70ster Geburtstag: Erinnerungen
(Lippstädter
Tageblatt "Der Patriot")
Auf diese Anregung, die eine
freundliche Aufnahme im Parlament fand, hat Ministerialdirektor Althoff
seine wohlwollende Unterstützung zugesagt, und auf seine Veranlassung war
am 13. Dezember 1898 in den Räumen des Kultusministeriums zwischen den
Vertretern der einschlägigen Ressorts eine Besprechung veranstaltet worden,
bei der Wetekamp das einleitende Referat zu halten hatte. Auf Beschluss
dieser Versammlung sollte eine Anzahl von wissenschaftlichen Vereinen
Universitätslehrern und Schulmännern zur Aeußerung über die Notwendigkeit
der Erhaltung von Naturdenkmälern und der staatlichen Unterstützung dieser
Bestrebungen aufgefordert werden. Als dann 1906 die staatliche Stelle für
Naturdenkmalpflege in Preußen eingerichtet worden war, bildete sich in der
Mark Brandenburg eine Provinzialkommission für Naturdenkmalpflege unter dem
Vorsitz des Oberpräsidenten, und Wetekamp, der inzwischen als Direktor des
Werner-Siemens-Realgymnasiums seinen Wohnsitz in Berlin-Schöneberg genommen
hatte, wurde zu ihrem leitenden Geschäftsführer gewählt. (-)
Bewusstseinsveränderung
Nach 1900 kam es zu den
ersten gesetzlichen Regelungen zum Landschaftsschutz:
(-)
Parallel zum erfolgreichen Kampf um den Erhalt der Wälder um Berlin gelang
es in dieser Zeit auch, die ersten Seeufer vor Bebauung zu schützen (Abb.
3). In Preußen begann um 1900 eine Diskussion über den Schutz nationaler
Baudenkmäler. Ein seit 1901 laufendes Vorhaben für ein Denkmalschutzgesetz
verlagerte seinen Schwerpunkt aber mehr und mehr auf die Sicherung
historischer Bauensembles.Das 1907 erlassene Verunstaltungsgesetz war
jedoch nicht nur auf den Schutz von Ortsbildern gerichtet, sondern bot im §
8 auch die Möglichkeit, Bauvorhaben außerhalb von Ortschaften zu
untersagen.
Verunstaltungsgesetz
[Regine
Auster: Schutz den Wäldern und Seen! Die Anfänge des sozialpolitischen
Naturschutzes in Berlin und Brandenburg in: Naturschutz und Demokratie!?.
CGL-Studies, Band 3]
(Quelle: Staatsarchiv, Ergänzungen: J. Rommerskirchen MdB. /
P.Hoffmann)
(1) Natur und Landschaft sind auf Grund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze so zu schützen, dass 1. die biologische Vielfalt,
2. die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie
3. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft
auf Dauer gesichert sind; der Schutz umfasst auch die Pflege, die Entwicklung und, soweit erforderlich, die Wiederherstellung von Natur und Landschaft (allgemeiner Grundsatz).
"Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. August 2021 (BGBl. I S. 3908) geändert worden ist"
Zur Eröffnung Eröffnung des Kongresses Naturschutz und Nationalsozialismus in Berlin (Umweltforum) am 4.Juli.2002 setzte sich der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin kritisch mit der Rolle des Reichsnaturschutzgesetzes auseinander. Zur Frage nach den Ursprüngen des Naturschutzes sagte er: "... Woher kommt der Naturschutz? Was sind seine Wurzeln? Ideengeschichtlich betrachtet war der Naturschutz ein Kind der Romantik. Mehr oder weniger stark ausgeprägte Naturliebe bis hin zur Naturschwärmerei war sein Markenzeichen. Und ohne einen emotionalen Bezug zur Natur kommen wir auch heute - selbstverständlich - nicht aus. Die in Deutschland rasanter als anderswo in Europa und besonders expansiv verlaufende Industrialisierung durch das aufstrebende Wirtschaftsbürgertum hatte gleichzeitig viele Bürger überfordert und verunsichert. Sie konnten innerhalb einer halben Generation die tiefgreifenden Umwälzungen der gewohnten Umgebung nicht begreifen. Man kann sich sehr wohl eine gewisse Orientierungslosigkeit vorstellen, die Technikfeindlichkeit, Großstadtfeindlichkeit aber auch Naturliebe bis hin zur Naturschwärmerei förderte. Nicht umsonst sangen die Jugendbewegten und Wandervögel Anfang des 20. Jahrhunderts "Aus grauer Städte Mauern zieh'n wir ins Land hinaus..." Vollständige Rede Download